Diese Website verwendet Funktionen, die Ihr Browser nicht unterstützt. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf eine aktuelle Version.
5 vor 12 Interview

„Tickt die Zeit für Demokratie leben, Frau Hohmann?“

In einem Monat ist der Hahn zu: keine Fördergelder mehr vom Bund für Demokratie-Projekte in Stadt und Landkreis Bamberg. Über ein fatales Signal und die Folgen, die ab 2025 zu erwarten sind.

Von: Carolin Gißibl || Digitales Storytelling: Franziska Schäfer

Bamberg. Für „Demokratie leben!“ Bamberg wird es ab dem 1. Januar 2025 keine Fördergelder vom Bundesfamilienministerium geben. Ein herber Rückschlag für viele Menschen, die sich gegen Rassismus, Radikalisierung und Menschenfeindlichkeit in Stadt und Landkreis engagieren.

Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landrat – auch von anderen betroffenen Kommunen – befürchten negative Folgen für den sozialen Zusammenhalt. Sie verfassten einen Brief, auch an den Bundespräsidenten und das Kanzleramt gerichtet. Doch die Zeit für „Demokratie leben!“ tickt. In einem Monat ist der Hahn zugedreht.



1. Liebe Frau Hohmann, haben Sie vom Bundesfamilienministerium je eine konkrete Rückmeldung erhalten, warum die Gelder für „Demokratie leben!“ Bamberg gestrichen wurden?

Wie alle anderen weggefallenen Partnerschaften für Demokratie haben wir Mitte Oktober nur eine standardisierte E-Mail bekommen, für die nächste Förderperiode nicht mit berücksichtigt zu sein. Eine konkrete Begründung gab es nicht, ebenso wurde darauf verwiesen, von Rückfragen Abstand zu nehmen. Den Zu- und Absagen bundesweit ist aber zu entnehmen, dass der Fokus auf den ostdeutschen Kommunen liegt.

Die Absage ist für uns unverständlich, vor allem da die Partnerschaft für Demokratie in der Stadt Bamberg in den vergangenen Jahren viel positives Feedback bekommen und durch die Förderung von über 150 Projekten seit 2019 viel bewegt hat. Deshalb haben wir und auch der Landkreis Bamberg, den es ebenso getroffen hat, mit einer Verlängerung gerechnet. Zudem wäre es gut gewesen, diese Entscheidung frühzeitiger kommuniziert zu bekommen, denn jetzt läuft uns für die Erhaltung der Strukturen die Zeit davon.





  • Bild: Sonja Seufferth Stadt Bamberg

Mit „Demokratie leben“ fördert der Bund zivilgesellschaftliches Engagement für die Arbeit gegen Radikalisierungen und Polarisierungen in der Gesellschaft.



2. Wir leben in Zeiten, in denen ein Rechtsruck durch Europa zieht. Welches Signal sendet diese Entscheidung, vielerorts Projekte zur Vielfaltförderung und Extremismusprävention nicht mehr zu fördern?

Kein gutes Signal! Zwar ist das Fördervolumen des Bundesprogramms gleichgeblieben, aber die Verteilung hat sich zulasten Bambergs verändert. Dabei sind Projekte zur Stärkung unserer Demokratie wichtiger denn je, vor allem auf lokaler Ebene, denn dort findet das Miteinander statt. Diese Strukturen wären also wichtig, zu erhalten.

Wir sollten Menschen, die sich ehrenamtlich für ein demokratisches und vielfältiges Miteinander engagieren, in ihrer Arbeit unterstützen. Der Wegfall der Bundesförderung für die Stadt Bamberg sendet insbesondere für unsere lebendige Zivilgesellschaft ein fatales Signal, die sich damit nicht gestärkt und ihre Arbeit nicht wertgeschätzt sieht. Und nur gemeinsam mit den Menschen kann Bamberg zu einem vielfältigen, inklusiven und lebendigen Ort werden.



3. Inwiefern wird das Ausbleiben der Fördergelder die Stadt Bamberg hart treffen?

In erster Linie wird es dadurch zu spüren sein, dass das vielfältige Engagement der Zivilgesellschaft mit unterschiedlichsten Formaten nicht weiter gefördert werden kann und Projekte nicht durchgeführt werden. Gleichzeitig werden damit über Jahre aufgebaute Strukturen stark geschwächt.

Wir arbeiten daher seit Wochen intensiv daran, dass wir eine Übergangsfinanzierung erreichen. Wir haben Kontakte geknüpft zu Stiftungen und zu den Bamberger Service-Clubs, wir haben Spendenaufrufe gestartet – Maßnahmen, die wir weiter verstärken werden – mit dem klaren Ziel: Die Demokratieförderung für die Stadt Bamberg auch in 2025 und darüber hinaus sicherzustellen.



4. Die AfD Bamberg wirft „Demokratie leben!“ folgendes vor: „Dort werden Mittel im Namen des Kampfes gegen Rechts umverteilt, der im Endeffekt dazu genutzt wird, die AfD und ihre Mandatsträger zu bekämpfen. Das ist Demokratieverachtung in Tarnkappe.“ Was sagen Sie dazu?

Die von uns geförderten Maßnahmen aus der Zivilgesellschaft dienen dazu, die Ziele des Bundesprogramms – Demokratie stärken, Vielfalt gestalten und Extremismus jeglicher Form vorbeugen – auf lokaler Ebene umzusetzen. Darüber hinaus beachten wir wegen des Grundsatzes der Chancengleichheit der Parteien das Gebot staatlicher Neutralität, finanzieren also keine Maßnahmen zielgerichtet für oder gegen eine politische Partei.



5. Für die Partnerschaft für Demokratie arbeiten Sie als zuständige Person in der Stadtverwaltung. Dann gibt es noch eine Koordinierungs- und Fachstelle bei einem freien Träger, die Esther Gratz innehat. Wie geht es für sie beide ab dem 1. Januar 2025 weiter?

  • Bild: Carolin Gißibl

Esther Gratz hat „Demokratie leben!“ in der Stadt Bamberg mit aufgebaut und koordiniert.

Unsere Zusammenarbeit stellt eine wichtige Verbindungsstelle zwischen kommunaler Verwaltung und Zivilgesellschaft dar. Meine Stelle wurde von der Stadt Bamberg erstmal für sechs Monate verlängert, um eine Folgefinanzierung zu ermöglichen. Die Koordinierungsstelle von Frau Gratz hat sich neben der Projektbegleitung auch als Anlaufpunkt für engagierte Bürgerinnen und Bürger etabliert. Für die Fortsetzung ihrer wichtigen Arbeit bemühen wir uns gerade intensiv, eine Übergangsfinanzierung sicherzustellen – um im nächsten Jahr weiterhin Projekte aus der Zivilgesellschaft fördern zu können.



  • Bild: Sonja Seufferth Stadt Bamberg
Zur Person

Helene Hohmann ist zuständig für das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ der Stadt Bamberg. Die studierte Organisationspädagogin lebt seit knapp zehn Jahren in der Weltkulturerbestadt und arbeitet im Amt für Inklusion.





Lesen Sie auch: