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„Ich flüchte nicht aus Bamberg“

Bambergs Kulturlandschaft ist erschüttert: Museumsdirektorin Kristin Knebel verlässt die Stadt. Der Zeitpunkt für ihren Abschied könnte kaum ungünstiger sein.

Von: Christoph Hägele || Digitales Storytelling: Franziska Schäfer

Bamberg. Seit drei Jahren ist Kristin Knebel als Direktorin für die Bamberger Museen zuständig. Ende September verkündete sie vollkommen überraschend ihren Abschied zum Jahresende. Ein schlechtes Gewissen hat sie deshalb nicht.



1. Frau Knebel, lassen Sie Bamberg im Stich?

Die Gründe meines Abschieds liegen ausschließlich im Persönlichen. Es hat sich die Möglichkeit aufgetan, wieder in meiner Heimat Thüringen zu arbeiten. Viele Menschen, die mir besonders am Herzen liegen, leben in der Nähe. Außerdem ist meine künftige Aufgabe als Direktorin der Städtischen Museen in Jena sehr reizvoll.

Ich werde Bamberg mit der Gewissheit verlassen, hier in drei Jahren vieles angestoßen und auf den Weg gebracht zu haben. Das Entscheidende habe ich im Masterplan gebündelt und zusammengefasst. Jetzt muss die Stadt entscheiden, ob sie diesen Plänen folgt. Das ist eine politische Frage. Es ist damit eine Frage, die vollkommen unabhängig von meiner Person behandelt werden sollte. Deshalb kann auch keine Rede davon sein, dass ich die Stadt im Stich lasse. Das ist mir viel zu pathetisch.





2. Können wir uns zumindest auf die Lesart einigen, dass der Zeitpunkt Ihres Abschiedes unglücklich gewählt ist. Sie jonglieren gerade mit ziemlich vielen Bällen.

Das ist eine komische Frage. Es gab diese Stelle in Jena jetzt. Und nicht irgendwann. Und ich habe mich entschieden, mich für diese Stelle zu bewerben. So einfach ist das.

Und ja, es sind viele Bälle in der Luft, wenn Sie so wollen. Aber das bedeutet nicht, dass ich die Bamberger Museumslandschaft im Chaos verlassen würde. Das Gegenteil ist der Fall. Nehmen wir das vielleicht wichtigste Thema: ein neues Depot. Es braucht in Bamberg zwingend einen Ort, in dem Kulturgüter konservatorisch einwandfrei gelagert werden können. Diesen Ort gibt es aktuell nicht. Trotzdem sind wir in dieser Frage gemeinsam weit gekommen. Es gibt inzwischen eine Standortstudie. Wir wissen auch, welche Flächen nötig sind. Der Kultursenat wird sich damit schon bald befassen.

Auch beim Hoffmann-Haus rollt der Zug. Wenn alles so umgesetzt wird, wie es unsere Pläne vorsehen, dann wird das neugestaltete Hoffmann-Haus in der Landschaft der deutschen Literaturmuseen für Furore sorgen.



3. Bamberg hat sich in diesem Sommer eine intensive Debatte über die finanziellen Grundlagen von städtischer Kultur geleistet. Haben die dabei gemachten Erfahrungen Sie darin bestärkt, die Stadt jetzt besser zu verlassen?

Ach was. Natürlich habe ich die Diskussionen mitbekommen. Aber wissen Sie was? Diskussionen um Kulturetats gehören zu meinem Job. Das wird in Jena nicht anders sein. Öffentliches Geld für Kultur ist nie genug da, es wäre immer mehr wünschenswert und nötig. Nur sehen die finanzpolitischen Realitäten in vielen Kommunen eben anders aus. Also müssen demokratisch gewählte Stadträte Prioritäten setzen. Nichts an diesen Debatten und Ergebnissen habe ich in Bamberg als besonders furchtbar erlebt.

  • Bild: Bastian Sünkel

Die Neugestaltung des E.T.A.-Hoffmann-Hauses gehört zu den wichtigsten Projekten in der Amtszeit von Kristin Knebel.

Deshalb noch einmal: Mein Abschied ist keine Entscheidung gegen Bamberg. Ich flüchte nicht aus der Stadt. Ich bin in den vergangenen Tagen gefragt worden, ob man mich zum Bleiben überreden könne. Aber darum geht es nicht. Selbst ein höheres Budget für die Museen würde an meiner Entscheidung nichts verändern.





4. Sie ziehen mit Thüringen in ein Bundesland, in dem ein vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestufter AfD-Landesverband die Spielräume für Kulturschaffende auch ohne eigene Regierungsverantwortung verengen könnte. Hätten Sie es in Bamberg nicht viel bequemer?

In einer ähnlichen Form habe ich mir diese Frage Ende der 1980er schon einmal stellen müssen. Die DDR befand sich im schleichenden Niedergang. Viele Menschen um mich herum haben Ausreiseanträge gestellt. Ich habe mich gefragt: Wie soll sich das Land je verbessern, wenn all die schlauen und engagierten Köpfe weg sind? So ähnlich ist es heute wieder.

Ja, die politische Konstellation könnte in Thüringen Spielräume verengen. Was genau passiert in den nächsten Wochen, wissen wir noch nicht. Aber diese unsichere Aussicht ist für mich ein Grund, erst recht hinzugehen. Thüringen ist meine Heimat. Ich will, dass Thüringen ein offenes und lebenswertes Land bleibt. Dazu kann ich vielleicht mit meinen bescheidenden Mitteln einen Beitrag leisten. Museen können vielleicht nicht eine Gesellschaft von Grund auf verändern. Aber sie haben Einfluss darauf, wie wir auf uns blicken. Auf das, was wir waren, was wir sind und was wir sein wollen.





  • Bild: Museen der Stadt Bamberg, Sammlung Ludwig

Auf die Ausstellung „Fake Food“ blickt Kristin Knebel mit besonders großem Stolz zurück.



5. Sie sind im Bamberg mit dem Anspruch angetreten, die Museen einer Welterbestadt würdig zu machen. Sind Sie Ihrem eigenen Anspruch gerecht geworden?

Die Zahlen geben uns recht. Wir konnten die Zahl der Besuche im vergangenen Jahr um knapp 40 Prozent zum Vorjahr steigern. Jetzt muss man weiterarbeiten.

Mein Team und ich haben gezeigt, dass wir es können. Ich meine damit, dass wir mit unseren Ausstellungen breite Schichten angesprochen haben. Die Museen müssen in meinen Augen für die Menschen da sein und nicht für sich selbst und den Ruf in der Fachgemeinschaft.

Besonders stolz bin ich auf unsere „Fake Food“-Ausstellung. Mein Team und ich sind dafür an Belastungsgrenzen gegangen, vielleicht auch darüber hinaus. Aber das Ergebnis war alle Mühe wert. Unsere Besucherinnen und Besucher haben festgestellt: Aha, im Museum lässt sich etwas erleben, man hat Spaß, man beschäftigt sich aber auch konstruktiv mit gesellschaftlich relevanten Themen. Mehr kann ich mir als Museumsdirektorin im Grunde gar nicht wünschen.







  • Bild: Matthias Hoch
Zur Person

Kristin Knebel ist Kunsthistorikerin. Sie war viele Jahre lang bei der Klassik Stiftung Weimar tätig. Der Bamberger Stadtrat bestimmte sie einstimmig zur neuen Direktorin der Museen der Stadt Bamberg. Am 1. Januar 2022 trat Kristin Knebel ihre Stellung in Bamberg an.

Ab diesem Zeitpunkt trug sie unter anderem Verantwortung für das Historische Museum, die Sammlung Ludwig und die Villa Dessauer. Im September 2024 gab sie bekannt, Bamberg zum Jahresende zu verlassen. Kristin Knebel wird neue Museumsdirektorin in Jena.





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