Diese Website verwendet Funktionen, die Ihr Browser nicht unterstützt. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf eine aktuelle Version.
Medien
  • Franziska Schäfer
  •  | Stadt Bamberg, Sonja Seufferth
5 vor 12

„Auch Heteros dürfen mitfeiern“

Am 13. Juli zelebriert die queere Gemeinschaft in Bamberg den Christopher Street Day. Der Künstler und Aktivist Arnd Rühlmann rät zu erhöhter Wachsamkeit. Etwas im Land habe sich verändert.

Von: Christoph Hägele Storytelling: Franziska Schäfer



Bamberg. Der Christopher Street Day (CSD) ist ein Festtag für alle, die sich als queer fühlen und verstehen. Das Adjektiv „queer“ adressiert Lesben und Schwule, Bisexuelle, Transgender, Agender und Intersexuelle. So bunt und lebensbejahend wie am CSD geht es selbst in Bamberg sonst nicht oft zu.

Gleichzeitig ist jeder CSD auch ein Tag der kritischen Reflektion: Wie geht es sexuellen Minderheiten heute, wie sicher, frei und gleichberechtigt können sie leben? Der Bamberger Künstler und Aktivist Arnd Rühlmann ist stolz auf das Erreichte. Und warnt doch vor Selbstzufriedenheit und nachlassendem Engagement.



1. Herr Rühlmann, wie gut, frei und sicher lebt es sich in Bamberg als ein Mann, der Männer liebt?

  • Bild: Stadt Bamberg, Sonja Seufferth

Mit einer Regenbogenflagge vor dem Rathaus demonstriert die Stadt Bamberg ihre Solidarität mit der queeren Gemeinschaft.

Ich finde, das Leben ist schön in Bamberg - auch für Homosexuelle. Die Bamberger, das ist zumindest meine Erfahrung, sind ein tolerantes und nettes Völkchen. Man kann hier auch als schwuler Mann auf der Straße mal seinem Partner einen Kuss geben. Allerdings nicht immer und auch nicht überall. Man muss leider immer wachsam sein. Diese Erfahrung machen wohl alle, die aus der Norm fallen.

Ich erinnere mich noch sehr gut an eine Situation, als mein Exfreund mich mal vom Bahnhof abholte. Ich wollte ihn umarmen, aber er meinte: Lieber nicht, heute sind hier zu viele komische Gestalten unterwegs.

Es ist deshalb wichtig, dass Minderheiten endlich auch von der Polizei ernst genommen werden. Auch in Bamberg ist das nicht immer selbstverständlich. Es gab auch hier die Tendenz, queerfeindliche Delikte gerne mal als „Rangelei unter Betrunkenen“ abzutun. Aber es freut mich sehr, dass es bei der Bamberger Polizei eine neue Sensibilität zu geben scheint. Es tut sich etwas.



2. Wie gefährlich sind in der Hinsicht auch Zuwanderer aus patriarchalen, von einer reaktionären Sexualmoral dominierten Ländern?

Ich glaube, diese Gefahr wird überdramatisiert. Ich behaupte ja nicht, dass es solche Übergriffe nicht gibt. Aber wenn ich in meinem Leben wegen meiner Homosexualität beleidigt oder körperlich angegriffen worden bin, dann immer von aufrechten und strammen Deutschen.

Dazu passt, dass rechte Kreise in Deutschland als Reaktion auf den Pride Month der LGBTQ-Bewegung in den sozialen Netzwerken ihren „Stolzmonat“ ausgerufen haben. Das ist eine klare Attacke auf die LGBTQ-Bewegung. Gruselig.



3. Macht Ihnen das mit Blick auf den Bamberger CSD Angst?

Nach dem Bamberger CSD 2022 ist ein Freund von mir am Bamberger Bahnhof zusammengeschlagen worden. Das hat damals die gesamte Bamberger Community bis ins Mark erschüttert.

Wir gehen deshalb auch in diesem Jahr mit erhöhter Wachsamkeit auf den Bamberger CSD. Der überwiegende Teil der Gesellschaft hat uns mit den Jahren akzeptiert. Aber diejenigen, die noch etwas gegen uns haben, sind deutlich gewaltbereiter geworden. Das passt zur allgemeinen Entwicklung. Etwas hat sich verändert in Deutschland, das Klima ist aggressiver geworden und unversöhnlicher. Die LGBTQ-Bewegung spürt diese Entwicklung besonders stark.



4. Beim CSD 2023 sind Sie hart ins Gericht gegangen mit „unsolidarischen“ Schwulen und Lesben. Was macht Sie so wütend?

Es gibt mittlerweile eine Bewegung innerhalb der Schwulen- und Lesbenszene, die mit Queeren und trans*Personen nichts zu tun haben will. Die sich distanziert und abgrenzt. Die machen es sich gemütlich in ihrem Toleranzbereich, haben Angst anzuecken und verweigern denen die Solidarität, die von dieser gesellschaftlichen Akzeptanz nur träumen können. Das ist feige! Das ist so unsolidarisch!

Gerade trans*Personen haben es immer noch ungeheuer schwer. Und es ist die Pflicht unserer Community, eben die zu beschützen, die besonders verwundbar sind.



  • Bild: Udo Güldner



5. Ist der CSD eine Feier, bei der die queere Community am liebsten unter sich bleiben möchte?

Man kann nie genug Verbündete haben. Klar dürfen auch Heteros beim CSD mitfeiern. Aber eines muss klar sein: Der CSD ist keine Faschingsveranstaltung. Die LGBTQ-Gemeinschaft feiert, dass wir so weit in der Gesellschaft angekommen sind. Manche feiern auch, dass sie trotz aller Anfeindungen bis heute überlebt haben, das muss man so deutlich sagen.

Deshalb finde ich auch das Motto des diesjährigen CSD so wichtig: „The first Pride was a riot.“ Das erinnert an den Aufstand 1969 in der New Yorker Christopher Street. Schwule, Lesben und vor allem trans*Personen kämpften damals unter Einsatz ihres Lebens um ihre Rechte. Vieles, was wir heute für selbstverständlich halten, verdanken wir ihrem mutigen Kampf. Beim CSD feiern wir das Andenken dieser mutigen Menschen.



  • Bild: Christian Martin
Zur Person

Arnd Rühlmann: geboren 1972 in Gießen, aufgewachsen in Heroldsbach, seit 1995 in Bamberg. Schauspieler, Kleinkünstler, Fastenprediger, Autor, Theaterleiter und Regisseur.

Info

Der CSD Bamberg beginnt am Samstag, 13. Juli, um 14 Uhr am Bamberger Bahnhof. Anschließend geht es zum Bamberger Maxplatz. Alle weiteren Informationen finden Sie hier.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Diagramme von Datawrapper angezeigt werden.



Lesen Sie auch: