Interview: Tobias Götz Digitales Storytelling: Franziska Schäfer Fotos: Sven A. Hagolani und Sebastian Niehoff
Bodo Wartke, Sie spielen am 23. November Ihr Programm „Was, wenn doch?“ in Coburg. Warum spielen Sie dieses Programm auch zehn Jahre nach der Uraufführung noch so gerne?
Bodo Wartke: Tatsächlich begleiten mich all meine Programme jahrelang. Der Grund: ich mag sie einfach alle sehr. Auch wenn ich neue Lieder schreibe, spiele ich die alten immer noch gerne. Zudem finde ich es schön, wenn die Leute auch nach Jahren immer noch die Gelegenheit haben, eines meiner älteren Programme anzuschauen, falls sie das noch nicht kennen. Oder mich wiederum noch nicht so lange kennen.
Wie fühlt es sich an, dass gerade die Zungenbrecher so eingeschlagen sind und so erfolgreich wurden? Man könnte, wenn man zynisch wäre, sagen: „25 Jahre habe ich ein so tolles Programm auf die Bühne gebracht und ausgerechnet jetzt schlagen die Zungenbrecher so ein.“
Bodo Wartke: Das könnte man bestimmt, aber das sehe ich keinesfalls so. Nein. Ich freue mich umso mehr, dass es mir gelingt, dadurch ein neues Publikum für mich zu begeistern. Ich habe schon immer sehr verschiedene Dinge gemacht und dabei nie erwartet, dass allen alles gefällt.
Bodo Wartke: Die einen lernen mich über die antiken Dramen kennen, die anderen über meine Klavierkabarettprogramme und nun eben wieder andere über die Zungenbrecher. Zudem hatte ich schon vorher ein Publikum und 25 Jahre lang Musik gemacht, die Leute erreicht hat und mit der sie etwas verbinden konnten. Ich fühle mich also nicht wie ein verkannter Künstler – ganz im Gegenteil: Ich freue mich, unerwartet ein neues Publikum gewonnen zu haben.
Ihr Programm „Was, wenn doch?“, welches Sie auch in Coburg spielen werden, hat als Zentrum das Lied „Das falsche Pferd“. Inwieweit ist das Lied und das Programm heute noch relevant?
Bodo Wartke: Die Themen des Programms und der Lieder sind zeitlos. Man steht im Leben immer wieder vor der Frage: Bin ich auf dem richtigen Weg? Was ist für mich zum aktuellen Zeitpunkt die richtige Entscheidung?
Ein anderes Lied aus dem Programm heißt „Das Motiv“ und darin singe ich von den – in meinen Augen – zwei möglichen Motiven unseres Handelns: Liebe und Angst. Ich habe den Eindruck, dass wir uns oft genug aus Angst für oder gegen etwas entscheiden. „Das falsche Pferd“ stellt am Ende daher die Frage: Was wäre, wenn wir uns trauen würden, uns mehr aus Liebe zu entscheiden?
Das sind zeitlose und zutiefst menschliche Themen, die nicht alt werden. Daher sind sie auch für mich immer wieder so aktuell wie vor zehn Jahren.
In Ihrem aktuellen Programm „Wandelmut“ singen Sie vom Liederwandel. Ändern sich dadurch nicht nur ihre Lieder, sondern auch ihre Programme? Oder anders gefragt: Ist „Was, wenn doch?“ noch das gleiche Programm wie vor zehn Jahren?
Bodo Wartke: Keinesfalls. Es kommen zahlreiche neue Einflüsse dazu. „Nicht in meinem Namen“ ist zum Beispiel ein tragendes Lied aus „Was, wenn doch?“ und kam erst ein Jahr nach der Premiere mit ins Programm. Ich spiele und schreibe immer die Lieder, die akut wichtig sind, und streue sie dort in meine Programme ein, wo sie gut passen. Das Lied beschäftigt sich mit religiösem Fanatismus. Es ist aus der Perspektive eines Gottes geschrieben, der klarmacht, alle diese Verbrechen, die ihr Menschen begeht, die begeht ihr nicht in meinem Namen.
Und nun sind ja am 7. Oktober des letzten Jahres ganz entsetzliche Verbrechen hinzugekommen. Daher war klar: Ich kann dieses Lied nicht singen und diese Geschehnisse dann einfach aussparen. Ich singe es daher jetzt in einer aktualisierten Fassung. Und das mache ich mit einigen meiner Lieder.
Sind die Reaktionen darauf manchmal kritisch – der 7. Oktober 2023 ist ja kein unumstrittenes Thema – oder begrüßen das die Hörenden?
Bodo Wartke: Bisher gab es keine Kritik daran. Mir ist es aber auch gelungen, die Sachlage differenziert darzustellen. Was ohnehin nicht einfach ist und schon gar nicht innerhalb eines Liedes, das nur wenige Minuten dauert und sich dann auch noch reimen soll. Aber das ist ein Handwerk, das ich zum Glück ganz gut beherrsche. Sobald ich weiß, was ich sagen will, kann ich das in Reimform ausdrücken, ohne dass die Klarheit darunter leidet.
Ein anderes Beispiel ist mein Lied über Regen, das ich schon vor über 20 Jahren infolge eines Auftritts bei den „Songs an einem Sommerabend“ geschrieben habe. Das damalige Konzert fiel sprichwörtlich ins Wasser: Die Regenfälle an dem Tag sorgten dafür, dass das Konzert abgebrochen werden musste. Ich war am Ende der einzige Künstler, der aufgetreten ist und wurde ausgebuht. Das war sehr traumatisch für mich, aber ich war wohl einfach der falsche Künstler, zur falschen Zeit am falschen Ort.
Daraufhin habe ich das Lied „Regen“ geschrieben. Damals sang ich noch: „Wo ist eigentlich der Klimawandel, wenn man ihn mal braucht?“ Zu dieser Zeit noch ausgehend davon: Wenn der Klimawandel kommt, dann ist es schön warm und es regnet weniger. Mittlerweile sind wir eines Besseren belehrt worden und sehen jeden Tag aufs Neue die Gefahren des Klimawandels. Daher habe ich vor Jahren schon beschlossen, dass es ignorant wäre, das Lied weiterhin unverändert so zu singen. Jetzt handelt das Lied davon, was der Klimawandel für uns bedeutet. Ich frage darin jetzt aber auch, wie wir damit umgehen wollen. Das Lied hat immer noch das gleiche Thema, aber eine ganz andere Draufsicht bekommen. Das wird vom Publikum sehr wohlwollend zur Kenntnis genommen.
Sie haben bereits Kloster Banz angesprochen. Was bedeuten Ihnen die „Songs an einem Sommerabend“ respektive die „Lieder auf Banz“?
Bodo Wartke: Das Liedermacher-Open-Air hat für mich und meine Karriere eine große Rolle gespielt. Die Möglichkeit, dass ich da überhaupt auftreten konnte, dort auch den Nachwuchspreis gewonnen habe und sogar die Möglichkeit bekam, mehrmals aufzutreten, war etwas Besonderes für mich. Nach dem Desaster mit dem Konzert, das ins Wasser fiel, wurde ich erneut eingeladen. Denn die Macher hatten auch ein schlechtes Gewissen. Sie dachten sich: „Ah, das war jetzt wirklich blöd für ihn, wir laden ihn nochmal ein und wenn das Wetter besser ist, dann kann der mal zeigen, was er kann“ – und so war es dann auch.
Das hat die Produzenten wiederum so sehr überzeugt, dass sie mich im Anschluss gefragt haben, ob ich auch Lust hätte, das Festival zu moderieren. Daraufhin habe ich das viele Jahre in Folge mit großem Vergnügen getan. Dadurch habe ich tolle Kolleginnen und Kollegen kennengelernt, die ich ansagen durfte – nicht zuletzt auch Reinhard Mey.
Coburg wird die letzte Station sein, bevor Sie eine Woche später in Lutterbek mit Ihrem neuen Programm „Wunderpunkt“ starten und am 5. Dezember in Berlin Premiere feiern. Bekommt man in Coburg schon mal einen kleinen Vorgeschmack auf das neue Programm?
Bodo Wartke: Ja natürlich, selbstverständlich! In den Zugaben spiele ich momentan schon regelmäßig brandneue Stücke. Einfach auch, um diese dem Publikum zu zeigen und auszuprobieren.
Wenn Sie das neue Programm in einem Satz beschreiben müssten, wie würde es lauten?
Bodo Wartke: Das ist schwer. Ich sage es mal so: Man hat ja bisher in jedem Programm von mir Sachen gesehen, die man so nicht kannte und die ich so vorher noch nie gemacht habe. Das ist, glaube ich, im kommenden Programm krasser als je zuvor. Ich mache da Sachen, mit denen ich selbst nicht gerechnet habe, dass ich sie jemals machen würde. (lacht)
Die Zungenbrecher sind dann auch Teil des neuen Programms?
Bodo Wartke: Na klar! Und zwar nicht zu knapp.
Da sind wir auf jeden Fall gespannt.
Bodo Wartke: Und ich erst!
An dieser Stelle auch Herzlichen Glückwunsch zum Bayerischen Kabarettpreis 2024! Sie feierten vor wenigen Jahren ihr 25-jähriges Bühnenjubiläum, jetzt erhalten Sie zum 25-jährigen Bestehen des Preises diese Auszeichnung. Was bedeutet Ihnen das?
Ich fühle mich sehr geehrt. Es handelt sich dabei auch um einen sehr renommierten Preis, und diejenigen, die darüber entscheiden, kennen sich sehr gut aus. Sie wissen, was es gibt, und haben die Preisträger schon jahrelang vorher auf dem Schirm. Ich durfte bereits zweimal auf der Preisverleihung eine Laudatio halten. Unter anderem für Marc-Uwe Kling, der nun wiederum für mich die Laudatio gehalten hat. Das freut mich sehr.
Sie halten immer auch eine Balance zwischen sehr ernsten Liedern und humorvollen Klängen. In „Die Lösung“ zum Beispiel schaffen Sie es, beides zu vermischen. Wie gelingt Ihnen das?
Ich finde es wichtig, beides auch in Liedern stattfinden zu lassen und mich in beiden Bereichen zu äußern. Es ist schön zu merken, dass sich das erstens in einem Programm nicht gegenseitig ausschließt und es zweitens sogar innerhalb eines Songs möglich ist.
Das sind auch die Momente, die mich bei Reinhard Mey am meisten bewegen. Wie er es schafft, eine so große Bandbreite von Themen und Gefühlen auf die Bühne zu bringen. Von ausgelassen bis tiefsinnig und ernst. Dass es stattfinden kann und vom Publikum so mitgetragen wird, fasziniert mich.
Würden Sie sagen, Sie haben bei ernsten Tönen in Reinhard Mey ein Vorbild gefunden?
Definitiv! Er gehört zu denen, die mich dazu inspiriert haben, auch den Mut zu haben, ernsten Themen Raum zu geben. Ich dachte anfangs, ich kann nur lustige Lieder schreiben. Bis ich schließlich mal versucht habe, ernste Lieder zu schreiben. Mittlerweile ist das auch mehr denn je eine wichtige Facette meines Schaffens. Es gibt nun mal Lieder, da ist Humor schlicht nicht die richtige Erzählform. Manche Themen brauchen einfach eine gebührende Ernsthaftigkeit.
Dennoch finde ich es immer schön, wenn es gelingt, den Dingen auch mit Humor zu begegnen und ihnen dadurch eine Leichtigkeit zu verleihen. Und diese Leichtigkeit ist ja auch eine Einladung, sich auf etwas einzulassen. Denn: Wenn man über etwas lachen kann, über das man sonst nicht lacht, macht es ja auch viel mehr Spaß, sich damit auseinanderzusetzen.