Text / Fotos / Video: Julian Megerle Digitales Storytelling: Franziska Schäfer
Die Tür fällt ins Schloss. Das wäre die letzte Möglichkeit gewesen, um nochmal „Nein“ zu sagen.
Nach einem kurzen Jaulen des Anlassers setze sich der Vierzylindermotor in Gang. Das Flugbenzin schießt in die Brennkammern der 180-PS-Maschine. Das reicht zum Fliegen. „Wenn das eigene Auto mehr Leistung hat als das eigene Flugzeug, dann stimmt was nicht", meint Marco Hanft. Der 52-jährige Hobbypilot fährt die Maschine vom Typ „Piper PA28 Archer III“ auf das kleine Rollfeld nördlich von Kulmbach. Die Windhose hängt lieblos nach unten an diesem späten Novembernachmittag.
Ein kurzer Funkspruch: „Papa Echo Romeo" - das ist die Kennung der Maschine. Hanft geht aufs Gas. Die Schnauze des Flugzeugs senkt sich leicht unter dem Druck des Motors. 719 Meter Strecke misst die Asphaltbahn. Danach folgt nur Wiese und die Wipfel des Waldes. Der Motor dröhnt lauter und lauter. Die Maschine fährt an. Sie schießt übers Rollfeld. Hanft zieht den Steuerknüppel an und die Querruder gehorchen. Keine 30 Sekunden später ist der Viersitzer in der Luft. Der Zeiger des Höhenmeters klettert auf gut 2500 Fuß, also mindestens762 Meter oberhalb dem Meeresniveau.
Hanft stammt aus Stadtsteinach und ist seit 2010 der Vorsitzende der Luftsportvereinigung Stadtsteinach e.V. , kurz LV Stadtsteinach. Das Gelände, welches die Piper soeben hinter sich gelassen hat, teilt sich der Motorflugverein mit den Ultraleichtfliegern und den Segelfliegern. Hier heben seit 1974 Motorflugzeuge ab. „Wir haben 5000 bis 7000 Flugbewegungen", erklärt der Stadtsteinacher. Das heißt Starts und Landungen zusammengerechnet. Ein gutes Viertel ist gewerblich: Entweder von lokalen Firmen oder zur jährlichen Inspektion, zum Beispiel in einer Flugzeugwerft in Hof.
Heute ist die Richtung nicht gen Hof, sondern Südosten, welche Hanft mit seiner 24 Jahre alten Maschine einschlägt. Heute allerdings nicht für die Werft, sondern für den Blick auf Ochsenkopf und Schneeberg. Weiß gezuckert erscheinen die Berge am Horizont. Die Tankfüllung würde noch bis Bozen reichen, versichert der Hobbypilot. Ab und zu gehts aus beruflichen Gründen auf dem Luftweg nach Nordrhein-Westfalen.
Der Vertriebsmitarbeiter einer Firma für Druckerzubehör sagt: „Meine Frau und ich fliegen aber auch gerne mal ein Wochenende weg. Mit dem Auto macht man das dann ja oft doch nicht." Wolken verhängen den die beiden höchsten Punkte des Fichtelgebirges. Ein Panorama in Weiß/Grau. Weit unten müht sich eine Schneeraupe die Piste hinauf.
Einsam liegt der Fichtelsee in der Landschaft. Hanft fliegt zumeist nur auf dem europäischen Kontinent. „Eine Atlantiküberquerung wäre nichts für mich", sagt er, während er fokussiert eine Kurve dreht und sich die Propellermaschine sich zurück Richtung Kulmbach dreht.
Die Leidenschaft fürs Fliegen liegt in der Familie: Der Großvater wurde im Krieg noch an Kampffliegern ausgebildet, aber war nie im Einsatz. Später baute er - damals noch auf einer Grasrollbahn am Espich - das Segelflugfeld auf. Hanfts Vater fliegt mit 76 Jahren immer noch gerne. Und die Kinder des heutigen Vereinsvorsitzenden? „Sie sind zwar schon im Alter, wo man sich dafür interessiert. Aber es ja auch eine Kostenfrage."
10.000 Euro - so viel gibt Hanft im Jahr für sein Hobby aus. Für einen neuen Flugschein alleine zahlen Interessierte in Deutschland zwischen 4000 und 6000 Euro. Das sind rund 40 Flugstunden.
Der Winter hat sich in Kulmbach noch nicht breit gemacht. Allenfalls die Plassenburg hat einen „Zuckerguss“ am Vortrag bekommen.
Die Piper überfliegt Rathaus und Kulma-Alm. Hier oben hört man keine Feierlaune., die irgendjemand stören könnte. Nur der Motor der Maschine werkelt vor sich hin.
Vorbei am Bahnhof und den rauchenden Brauereischloten durchquert die Piper den Himmel über Kulmbach.Die maximale Höhe, die Hanft mit seinem Flugzeug erreichen könnte, liegt bei 4298 Metern. Die sogenannte Dienstgipfelhöhe.
Damit der Stadtsteinacher abheben darf, muss er mindestens 12 Flugstunden im Jahr ableisten. Und es geht einmal im Jahr zum Arzt, der die folgenden Fragen klärt: Funktioniert das Herz-Kreislauf-System noch gut? Stimmt der Blutdruck? Passt die Sehschärfe? Nur bei guten Werten darf Hanft weiter hinter den Steuerknüppel. „Der Vorteil ist, dass man schon sehr nach der Gesundheit schaut und eventuelle Gesundheitsprobleme schon früh auffallen." Das motiviere, sich körperlich fit zu halten und „nichts zu übertreiben."
Stichwort Übertreiben: Bei den kühlen Außentemperaturen sollten die Wolken nicht zu tief hängen. Die Maschine verfügt über keine Enteisungsanlage für die einzelnen Ruder. Ohne groß mit Wolken in Berührung zu kommen, steuert Hanft weiter nach Westen. Manchmal wackelt das Flugzeug etwas, wenn die Piper verschiedene Luftschichten durchkreuzt.
Der Main-Zusammenfluss verschwindet weit unter den Flügeln der Maschine, die 10,8 Meter umspannen. Dort unten liegt kein Schnee. Ist das eigentlich noch zeitgemäß, mit dem Privatflugzeug trotz Klimakrise unterwegs zu sein? „Unser Vereinsheim am Flugplatz hat eine Photovoltaikanlage, die ungefähr so viel CO₂ einspart, wie die Flüge unserer Mitglieder verursachen", sagt Hanft. 200 Kilowatt in der Spitze leiste die Dachanlage. Derzeit beleben rund 70 Mitglieder den Verein und kümmern sich auch um die Flugsicherung am Platz.
Bald ragen die Turmspitzen von Schloss Thurnau aus dem hügeligen Land. Zeit für eine kleine Ehrenrunde über die Schlossanlage, deren Ursprünge auf das 13. Jahrhundert zurückgehen - dann macht der Stadteinacher wieder eine Kehre.
Die Abenddämmerung rückt näher. Die Sonne verschwindet zusehends hinter den Maintal-Hängen. Schloss Neuguttenberg liegt da im Sonnenuntergang.
Hanft dreht eine letzte Schleife über die alte Papierfabrik und die Ruine Nordeck bei Stadtsteinach. Die Abenddämmerung rückt näher. Die Sonne verschwindet zusehends hinter den Maintal-Hängen. Schloss Neuguttenberg liegt da im Sonnenuntergang.
Die letzten Sonnenstrahlen verschwinden hinter den wuchtigen Wolken. Der Pilot drosselt die Maschine. Es ist mittlerweile windiger. Die Landbahn kommt näher. Die Propeller werden so langsam, dass die einzelnen Flügel sichtbar werden.
Der Heimatflughafen ist erreicht. Nichts wackelt mehr. Das Stampfen des Motors ist verstummt. Was bleibt, sind die Eindrücke des Kulmbacher Lands.
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